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Ernest Wurm – Zum Zeichnerischen
Franz Kaindl
Il disegno e di tanta eccelenzia che non solo ricerca le opere di natura, ma infinite piu
quelle che fa natura.
(Die Zeichnung besitzt so hervorragende Eigenschatten, da sie nicht nur den Werken der Natur nachgeht, sondern unendlich mehr kann, als die Natur selbst gemacht hat. Leonardo da Vinci, Trattato della pittura, 133)
In der Regel sind wir entzückt, wenn wir eine Kinderzeichnung betrachten und bewundern den Eifer, mit dem das Kind über die Zeichnung seine Umwelt erobert, und das schon lange, ehe es von den Möglichkeiten seiner Intelligenz Gebrauch macht oder ihm irgendwelche Belehrungen zugeflossen sind. Gerade der echte und unmittelbare Ausdruck des kindlichen Zeichnens berührt auch uns unmittelbar und wahrhaftig. In der Regel zeichnet auch jedes Kind gerne während eines bestimmten Zeitraumes seiner Entwicklung, und indem es sich durch solches Ertassen die Gegenstände seiner Umwelt gegenwärtig macht, bewältigt es seine inneren Erlebnisse.
Und genau dies heilt Zeichnen. Ohne das Phänomen des Zeichnens – gleichbedeutend mit Zeichensetzen – ist die Entwicklung des Menschen nicht denkbar, das heißt, dort, wo dem menschlichen Geist die verbale Verständigung unzureichend erschien und erscheint, kann er sich durch Zeichnen verständlich machen. Und das gilt ebenso für alle Wissenschaft, Forschung, Erfindung, Planung als auch für Kult, Religion, Machtausübung, Krieg usw. Verwendet man den Begritt Zeichnen im Zusammenhang mit Kunst, so muß dem eintachen Zeichensetzen als Ausdruck intellektueller Verständigungshilfe noch etwas Besonderes hinzugetügt werden: die Emotion.
So sehr die Menschheit über den Weg der Intellektualisierung große, ja kaum vorhersehbare Entwicklungen herbeigeführt hat und dies noch immer tut, ist ihr das aut dem Gebiet der Förderung der eigenen Gefühlswelt nicht im gleichen Male gelungen. Eine ganze Reihe von Bildungssystemen wird eingesetzt, um den Menschen in den Vollbesitz seiner Verstandeskräfte gelangen zu lassen, während die Ausbildung seiner sensiblen Wahrnehmungskräfte eher dem Zufall oder persönlichen Engagement überlassen bleibt, sodaß ein relativ kleiner Bevölkerungsanteil imstande ist, Geschehen und Ablauf über seine emotionale Komponente wahrzunehmen, und dies gilt im besonderen Maße für die Bereiche der Kunst.
Es ist bei der wissenschaftlichen Beurteilung dieses Phänomens zudem erstaunlich, daß innerhalb der verschiedenartigsten Sparten der Kunstausübung jene des Zeichnens als selbständiger Kunstwert eine auffällig niedrige Akzeptanzquote aufweist, und selbst diese artikulierte sich erst in den letzten Jahrzehnten. Die Feststellung Paul Klees, daß Kunst – man könnte hier auch Zeichnen sagen – niemals Sichtbares wiedergebe, sondern sichtbar mache, ist noch lange nicht zum Allgemeingut der menschlichen Gesellschaft geworden. Das Sichtbare wird über den Prozeß des Sehens für den Menschen nutzbar gemacht, und im Zusammenhang mit Kunst handelt es sich nicht allein um den Schritt vom Sehen zum Wahrnehmen, sondern vom Sehen zum Erkennen. Der Zeichner, der über einen komplizierten physiologischen Vorgang seine emotionalen Erlebnisse zu Papier bringt und sie mit Hilfe der Hand und dem Zeichenstift oder der Feder konkretisiert, bedarf des betrachtenden Partners, der imstande ist, über die Sublimation seiner Gefühlswelt die Absichten des Künstlers für sich erfahrbar und nutzbar zu machen.
Wird Zeichnen als Kunst geübt, so ist seine Mitteilung nicht von seinem intellektuellen Inhalt, dem Thema, dem Stoff bestimmt, sondern von dem, was in der Expertensprache als „ Form und Inhalt“ bezeichnet wird. Die beiden letzteren Begriffe werden dem Emotionalen zugeordnet, und trotz unserer Fortschritte in der Psychologie und der visuellen Analyse bleibt eine Fülle von Imponderabilien bestehen – viele meinen zum Glück – welche eine psychomathematische Ausdeutung des Kunstwerkes verhindern. Es geht also in der Zeichnung, in der Kunst überhaupt, am allerwenigsten oder gar nicht um das Was, sondern einfach immer um das Wie.
Für die Zeichnungen des St. Pöltners Ernest Wurm bedeutet dies ein Mehrfaches. Zum Einen versucht er, in einem sich selbst auferlegten Prozeß der künstlerischen Selbstfindung jene ihm adäquaten Zeichenvorgänge zu präzisieren, welche ihm als Ausdrucksmittel geeignet scheinen, seinen Vorstellungen gerecht zu werden – Vorstellungen, die sowohl der Umwelt entnommen werden als auch seiner Phantasie entstammen. Zum anderen versucht er, als Erwachsener und Intellektueller jenen Grad an natürlicher Spontanität zu erreichen, der uns an den anfangs angesprochenen Kinderzeichnungen so berührt. Dieses schwierige Unterfangen unternimmt er über den Weg der Minimalisierung, der Sparsamkeit der Strichführung, der Selbstbeschränkung auf einige wenige Stellen der Papierfläche und, als Kontrast dazu, über das Programm der Rekapitulierung gleicher oder ähnlicher Formelemente in einer oftmals auch seriellen Häufung von Strichen, welche sich bis zu Ballungen verdichten können. Die Blätter ohne Titel einer Serie von Bleistiftzeichungen aus dem Jahre 1994 machen Wurms minimalistische Absichten deutlich:
Im Blatt 1 entwickelt sich eine einfache Strichsequenz zu einer unruhigen Abfolge, welche die Bildfläche in zwei ungleiche Teile spaltet, die ihrerseits durch die gezogenen Linien einmal als Bildträger der Linie selbst, aber auch in Form zweier getrennter Gestaltungselemente in Erscheinung tritt, je nachdem, ob der Betrachter die Strichfolge über die hervorgerufenen „ Schlüsselreize“ als auf dem Papier sitzend oder als teilend empfindet.
Das Blatt 2 wird von zwei in etwa parallel angeordneten Strichfolgen eingerandet, denen sich am linken Bildrand eine aufgelöste dritte zugesellt, wogegen die rechte Bildbegrenzung offen und frei bleibt. Die kürzere zweite Linie am unteren Bildrand legt sich wellenförmig über die erste, begleitet den linken und oberen Bildrand beruhigend. Die Spannung entsteht durch die in der Strichziehung kurz abgesetzte und aufgerissene dritte Linie. Erscheinen die Blätter 1 und 2 als um ihrer selbst willen, ohne konkretes Thema entstanden, so lassen die Blätter 3, 4 und 5 durchaus solche Assoziationen zu, welche wieder über die schon einmal erwähnten „Schlüsselreize“, beispielsweise in den Blättern 3 und 5, Landschaft oder weibliche Figur suggerieren können, während das Blatt 4 durch seine kreisförmige Anordnung auf Facettenauge eines Insektes, auf Kranz, auf Kohlkopf usw. verweist.
Es liegt aber in der zeichnerischen Qualität der Blätter begründet, daß sie auch ohne diese assoziativen Elemente durchaus als selbständige grafische Leistungen bestehen können und über ihre zeichnerische Sensibilität die Sublimation des Gefühls des Betrachters erreichen. In diesem Zusammenhang muß darauf verwiesen werden, daß die Numerierung der genannten Blätter, die allesamt keinen spezifischen Titel autweisen, nicht einer chronologischen Entstehung entspricht, sondern im Einvernehmen mit dem Künstler aus didaktischen Gründen so gewählt wurde, um dessen künstlerische Absichten zu verdeutlichen, bestimmte Schritte in die Richtung der reinen Abstraktion zu
gehen.
Viele der Arbeiten Wurms, beispielsweise jene, welche sich mit der Figuration des Kopfes beschäftigen, befinden sich gleichsam auf dem Weg dorthin, den er auf mannigfaltige Weise, etwa durch Teilungen und Überblendungen des konkreten Themas, zu gehen sucht. Als disziplinäre Übungen hiezu entstehen Reihen von Flächenteilungen divergierendster Formen und Anordnungen bis hin zu solchen geometrisierender Art, einfache Handgelenksübungen finden sich ebenso wie streng gezogene Linien.
„Malerische“ zeichnerische Ausflüge bis hin zu „dunklen“ Blättern zeigen die Möglichkeiten seiner grafischen Breite auf. Dort, wo sie aus einem Gewirr von rein zeichnerischen Äußerungen entstehen, scheinen sie am interessantesten und ergiebigsten. Noch stehen sich das puristische (abstrakte) und das figurative (gegenständliche) Element im Menschen Ernest Wurm gegenseitig befruchtend, aber auch hindernd gegenüber, und es ist spannend, die weitere Entwicklung als Betrachter verfolgen zu können.
Biografie
Ernest Wurm
1957
lebt und arbeitet in St. Pölten
Absolvent der Meisterklasse für Grafik und Fotografie an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien, Prof. Kurt Schwarz und Prof. Erich Sokol
Galerien & Kunsttätigkeiten
ab 1975
experimentelle DiaÜberblendzyklen, Fotozyklen, Projektionen, Lasershows und Bühnenbilder
1988
Aus dem Gefängnis der Augen / Xerografie, Galerie Kiwi, Wien
1990
Mozart spielt Beckett / optisch-akkustische Installation, Z-Galerie Wien
1991
Konzeption des „Optophon“ / dreidimensionale Dias mit Sounds anlässlich des Mozartjahres für die Stadt Wien, bereiste 23 Länder
1994
Personalausstellung / Zeichnungen, NÖ Dokumentationszentrum
1994
Fly / Folienschnitte, Hotel Metropol, St. Pölten
1996
Spuren / Acryl auf Papier, B&O Center
1997/98
New Paintings / Malerei, Jahresausstellung Sojo Galerie / Amsterdam
1997
Kunstfelder / Malerei, City Center St. Pölten Timefactory / Performance mit Gerhard Hönigl, Künstlerhaus Wien
2005–2020
Dauerpräsentation / Malerei, Sparkasse St. Pölten
2013–2014
Sinnbilder / Malerei, Sparkassenhauptverband Wien
2023
Einladung vom Europäischen Kulturzentrum anlässlich der Biennale / Venedig 2024
Lichtmalerei / Löwinnenhof, St. Pölten
2024
St. Pöltner Künstler / Galerie Maringer, St. Pölten
»Ich zeichne nichts. Es sind fotografische Platten, die der Betrachter selbst entwickeln kann – Zwischenräume für Erinnerungen.«
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